Offene Fragen – Was genau ist das eigentlich und wie formuliere ich sie am besten? Der folgende Beitrag soll euch verdeutlichen wann, warum und wie Ihr offene Fragen gezielt einsetzt.  

Geschlossene und offene Fragen

Bei der Gestaltung von Fragen kann man grundsätzlich zwei Typen unterscheiden: Die geschlossene Frage (Statement), bei der Antwort­vorgaben vorgesehen sind, und die offene Frage, bei der in eigenen Worten geantwortet werden soll[1]. Auf Fragen mit geschlossenem Antwortformat wird im Weiteren nur noch gering ein­gegangen. (VLL LINK zu Beitrag zur Gestaltung eines Fragebogens mit geschlossenen Fragen) Eine dritte Möglichkeit der Fragestellung ist eine Kombination von offenen und geschlossenen Antwortvorgaben, auch Hybridfragen genannt[2]. Nach der Entscheidung für eine Antwort wird nach der Begründung für die Antwort gefragt, z.B.: Haben sie dieses Krankheitsbild? Wenn ja, in welcher Form zeigt es sich?

 

Formulierung der Fragen 

1. Eindeutigkeit der Frage

In einem Experiment von Schuman und Presser (1981) wurden Personen zu ein und dem selben Thema teilweise offene und teilweise geschlossene Fragen gestellt, wobei Inhalte der Antworten bei den beiden Frageformen sehr unterschiedlich ausfielen. Eine Empfehlung ist daher die Frage so zu formulieren, das der Befragte bei einer offenen Frage sehr klar versteht, was von ihm erwartet wird. Hierzu sollte folgendes beachtet werden:[3]

  • Einfach Worte – keine Fachausdrücke (nur wenn nötig), keine Fremdwörter, keine Abkürzungen.
  • Fragen sollten kurz sein.
  • Anpassung an das Sprachniveau der Befragten.
  • Keine Suggestivfragen.
  • Fragen sollten neutral formuliert sein, nicht hypothetisch.
  • Fragen sollten sich auf einen Sachverhalt beziehen
  • Keine doppelten Verneinungen.
  • Fragen sollten ausbalanciert sein, d.h. positive und negative Ant­wortmöglichkeiten sollten in einer Frage enthalten sein.
  • Eindeutige Worte, d.h. keine Worte verwenden wie: normalerweise, üblicherweise, häufig, oft, gelegentlich, manchmal.

Es sollte bei der Erhebung offener Fragen immer darauf geachtet werden, dass nicht mehrere Themen in einer Frage angesprochen werden. Bei Fragen, mit denen sowohl positive als auch negative Aspekte oder unterschiedliche Wichtigkeiten eines Themas für den Befragten abgefragt werden sollen, empfiehlt sich eine Aufteilung in jeweils zwei Fragen, um sicherzustellen, dass beides (positives und negatives) von den Befragten angesprochen wird. Neben dem Inhalt muss dem Befragten auch der Umfang der Antworten klar sein. Empfehlenswert ist es demnach zu verdeutlichen welche Antwortform erwartet wird, z.B. Stichwörter, eine oder mehrere Angaben Ein wichtiger Tipp bei offenen Fragen ist das Textfeld möglichst groß zu halten. Je größer der Platz ist, in den die Befragten ihre Antwort schreiben sollen, desto mehr schreiben sie tatsächlich. Zum Beispiel wird die Anzahl an Zielen auf einem Papierfragebogen als Hinweis auf die erwartete Länge der Antwort interpretiert. Sollte man ein Web-Survey durchführen empfiehlt es sich die Fenster der erwarteten Antwortlänge anzupassen oder Felder zu verwenden, die durch scrollen vergrößert werden können

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2. Motivation

Um auch die Motivation zur Beantwortung offener Fragen zu fördern sollten diese sparsam eingesetzt werden. Zudem sollte dem Befragten deutlich gemacht werden, wie bedeutsam die Angaben für den Forscher sind.[4]

Wann wählt man besser „geschlossene“, wann eher „offene“ Fragen?

Die Wahl, ob man sich für eine geschlossene oder aber eine offene Frage entscheidet, hängt meist vom Inhalt, aber auch von einigen Vor- und Nachteilen dieser Fragetypen ab. Wichtig dabei ist, dass man sich dabei nicht von persönlichen Präferenzen für oder gegen diese Frageform oder vom Aufwand der späteren Analyse beeinflussen lässt, sondern es von der Forschungsfrage und dem Forschungsstand abhängig macht. Hier eine kurze Gegenüberstellung:

„geschlossene“ Fragen „offene“ Fragen
sind schneller auszufüllen, weil man nur ankreuzen muss –> zeitsparend erfordern ausreichend Zeit für die Formulierung der Antworten –> zeitintensiver
ergeben klare Stellungnahmen –> vorgegebene Antworten bieten den Befragten eine Artikulationshilfe ergeben unter Umständen ein genaueres Stimmungsbild –> ermöglichen Begründungen, genauere Beschreibungen und zusätzliche Informationen etc.
einheitliche Antwortmöglichkeiten –> erhöhen die Vergleichbarkeit erfassen neue Aspekte, die man bei der Erstellung des Fragebogens evtl. nicht bedacht hat –> Vermeidung von „blinden Flecken“
leichter, weil schneller auszuwerten –> Auszählung über Computerprogramme möglich erhöhen den Aufwand bei der Auswertung, da sie nicht direkt mit dem Computer auszählbar sind! –> Kategorisieren und Auszählen zum Teil per Hand notwendig

Die Anwendung von offenen Fragen hat in Fragebögen klare Grenzen. Generell ist zu bedenken, dass schriftliche Befragungen nicht wirklich der Platz für offene Fragen sind. Teilnehmer schreiben ungern viel, man sollte sich nicht zu viel erwarten. Daher sollten diese Fragen sehr begrenzt in schriftlichen Fragebögen eingesetzt werden. Soll viel exploriert werden, sind mündliche Interviews sicher die bessere Alternative. Auch eine systematische Auswertung der offenen Fragen ist sehr aufwändig im Vergleich zu anderen Fragetypen. Man sollte sie daher bei schriftlichen Befragungen nur ganz gezielt und wo unbedingt erforderlich einsetzen. Zur Informationsgewinnung eignen sie sich z.B. besonders bei der Abfrage von Wissen, der Eingrenzung des Befragungsgegenstands, einer unüberschaubaren Liste der Antwortmöglichkeiten, dem Vermeiden einer Richtungsvorgabe und bei Kognitive Pretests, um festzustellen, warum ein bestimmter Skalenwert gewählt wurde oder um zu überprüfen, ob der Sinn einer Frage verstanden wurde.

Fazit

Der Umgang mit offenen Fragen in quantitativen Studien ist häufig inkonsequent. Einerseits gelten  Sie als unverzichtbarer Bestandteil für das Verständnis abstrakter geschlossener Fragen. Andererseits bleibt die Auswertung offener Nennungen oftmals auf halbem Wege stehen: Einfache Kodierschemata versuchen den Bodensatz der Befunde möglichst effizient zu greifen, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gesagten findet dabei aber ebenso wenig statt wie eine elaborierte analytische Verknüpfung mit den erhobenen quantitativen Daten.

[1] Bortz, J., & Döring N. (1995).  Forschungsmethoden und Evaluation für Sozialwissenschaftler. S194 f.

[2] Schnell, R., Hill R. B., & Esser E. (1992).  Methoden der empirischen Sozialforschung.  S. 340

[3] Stier, W. (1999).  Empirische Forschungsmethoden.

[4] Dillman, D. A., Smyth, J. D., & Christian, L. M. (2009). Internet, mail, and mixed-mode surveys. The tailored design method. Hoboken, New Jersey: Wiley.