Innerhalb von Sportarten sind die Leistungen der Teilnehmer meist objektiv messbar. Auf Basis des objektiven Kriteriums, z.B. der Punktzahl bei Rückschlagsportarten, der Zeit beim 100m Lauf oder die erzielte Weite bei Wurfdisziplinen. Der Vergleich von Leistungen zwischen verschiedenen Sportarten ist jedoch nicht direkt möglich. Mittels statistischer Analysen aus der Praxis und statistischer Modelle aus der Theorie können Leistungen und Ereignisse aus verschiedenen Sportarten eingeordnet und miteinander verglichen werden.

Fußball und Darts haben wenig Gemeinsamkeiten. Dennoch lassen sich statistisch Vergleiche ziehen, die anschaulich darlegen, warum beispielsweise im Elfmeterschießen nicht nur dem Elfmeterschützen, sondern auch dem Torhüter eine schlechte Leistung nachweisbar ist. Ein verschossener Elfmeter im Fußball ist nämlich mit einer relativen Häufigkeit von 25 % kein seltenes Ereignis. Ein Elfmeterfehlschuss entspricht einer 3-Dartspunktzahl von 26 oder weniger Punkten. Dieses Beispiels soll darlegen, dass es kein leichtes Unterfangen ist einen Elfmeter zu verwandeln. Statistisch gesehen, sollte ein Torhüter ein Elfmetertor in Mittel jedes vierte Mal verhindern können. Ein Torhüter, der in einem Elfmeterschießen kein Tor verhindert, weist statistisch sogar eine weniger gute Leistung auf als ein Fehlschütze.

Die interdisziplinären statistischen Vergleiche zeigen auf, wie außergewöhnlich Comebacks innerhalb eines Events in den einzelnen Sportarten sind. Der FC Liverpool liegt im Champions-League Finale 2005 in Istanbul gegen den AC Mailand zur Halbzeitpause mit 0:3 zurück. Entgegen allen Chancen kann der FC Liverpool das Spiel ausgleichen und im Elfmeterschießen die Champions-League-Trophäe gewinnen. Anhand eines theoretischen Modells, welches von zwei gleichstarken Teams ausgeht, betrug die Siegwahrscheinlichkeit des FC Liverpool zur Halbzeit lediglich 1,3 %. Ein leicht außergewöhnlicheres Comeback gelang Novak Djokovic im Wimbledonfinale 2019 gegen Roger Federer als er im fünften Satz beim Stand von 7:8 in den Spielen und 15:40 in einem Rückschlagspiel gegen den mutmaßlich besten Rasenspieler der Geschichte erst zwei Matchbälle abwehrte und anschließend die Partie gewann. Seine Siegwahrscheinlichkeit betrug zu diesem Zeitpunkt nur 1,1 %. Neben der geringen Auftretenswahrscheinlichkeit von rund 1 % sind diese Comebacks jedoch vor allem auch deshalb bedeutsam, weil sie jeweils im Endspiel um den größtmöglichen Titel zustande kamen.

Statistische Methoden ermöglichen sogar dann eine Abschätzung über eine Wahrscheinlichkeit, wenn ein Ereignis wie beispielsweise die Niederlage eines ungeschlagenen Boxers bis dahin noch nie aufgetreten ist. Henry Maske verlor 1996 seinen 31. Profikampf nach zuvor 30 Siegen. Doch eine Sensation war dies trotz der 30:0 Kampfbilanz mit einer Wahrscheinlichkeit von 9,5 % nicht.

Anhand von Statistik bzw. dessen Teilgebiet der Stochastik ist es möglich Ereignisse aus unterschiedlichen Bereichen miteinander zu vergleichen. In gutes Beispiel hierfür stellt der Sport dar. Obwohl Tischtennis, Darts, Fußball, Badminton, Radsport, Tennis und der Zehnkampf ganz eigene Sportarten mit unterschiedlichen Charakteristika sind, lassen sich interessanterweise Ereignisse innerhalb der Sportarten mittels der Statistik vergleichen.

Im Darts-Sport ist es die Präzision und nicht die Kraft und Ausdauer, welche die Stärke eines Dartsprofi charakterisiert. Wie außergewöhnlich gut die Leistungen der Profis ist, lässt sich am Vergleich zu einem theoretischen Hobbyspieler („Random Darter“) erkennen. Nun ist es schwer die Punktzahlen im Darts quantitativ einzuschätzen. Anhand des Random-Darter-Modells lassen sich Leistungen von Darts-Spielern einordnen.  Ein Random Darter ist ein modelltheoretischer Spieler, der zwar stets die Dartsscheibe, nicht jedoch die Zahlen auf dem Board zielgenau trifft. Der Random Darter erzielt im Erwartungswert 38,47 Punkte pro 3-Darts (sog. 3-Dart-Average). Ein Dartsprofi erzielt in einem Turnierspiel trotz etwas schwererer Regeln (Das Spiel muss mit einem Doppel beendet werden) hier gut und gerne 100 Punkte im Mittel. Eine mindestens so hohe Punktzahl erreicht ein Hobbyspieler nur einmal bei 284 3-Darts-Durchgängen (Wahrscheinlichkeit: 0,4 %). Sollte es einem Hobbyspieler nach 300 Durchgängen à 3 Darts gelingen einen Durchschnitt von mindestens als 40,04 zu erzielen, so ist diesem eine Treffsicherheit zu bescheinigen, welche sich signifikant positiv (auf einem Signifikanzniveau von 5 %) vom reinen Hobbyspieler unterscheidet. Der Unterschied zu den Profis im Londoner Ally Pally ist dennoch nachweislich immens, da die durchschnittlichen Punktzahlen der Profis mit dreistelligen Durchschnittswerten weit außerhalb der für die Hobbyspieler realistischen liegen.

Die Sportarten Darts und Fußball haben eigentlich wenig gemeinsam. Dennoch lässt sich anhand des Darts aufzeigen, dass viele Zuschauer Wahrscheinlichkeiten oftmals falsch einschätzen. Ein verschossener Elfmeter ist für gleichbedeutend mit dem Verpassen einer sehr großen Torchance. Tatsächlich aber landet ein Elfmeter nur in rund 3 von 4 Fällen im Tor. Übertragen auf den Dartssport würde das bedeutet, dass ein 3-Darts-Punktzahl in Höhe von 26 oder weniger Punkten einem verschossenen Elfmeter gleicht.  Nach einigen Versuchen wird ein Hobbyspieler recht schnell feststellen, dass dies doch sehr häufig auftritt und vielleicht seine Meinung über einen Elfmeter nochmals überdenken.

Ein Torhüter hat im Elfmeterschießen eigentlich nichts zu verlieren, sagt man. Interessanterweise lässt sich jedoch statistisch nachweisen, dass ein Torhüter, welcher keinen von 5 Elfmetern parieren kann, streng genommen eine schlechtere Leistung erbracht hat als ein Fehlschütze. Die Wahrscheinlichkeit für 5 Gegentreffer beim Elfmeterschießen ist für den Torhüter mit 23,7 % nämlich minimal kleiner als die 25 % für den Fehlschützen.

Apropos Elfmeterschießen. Nehmen wir einmal der erste Spieler von Mannschaft A, welche das Elfmeterschießen beginnt, verschießt. Ist denn dann das Elfmeterschießen schon bereits gelaufen? Mitnichten. Denn die Wahrscheinlichkeit für den Sieg im Elfmeterschießen ist mit 29,1 % sogar noch etwas höher als in einem Spiel bei dem man in den allerersten Minuten mit 0:1 in Rückstand gerät (28,0 %).

Dass Fußballspielen immer wieder einmal spannende Wendungen erleben und Rückstände aufgeholt werden, musste nicht zuletzt der AC Mailand im Champions League Finale von 2005 erfahren. Nach der ersten Halbzeit stand für die Italiener, welche gemeinhin für ihre solide Abwehrarbeit bekannt sind, gegen den FC Liverpool ein 0:3 zu Buche. Die Wahrscheinlichkeit die Champions-League noch gewinnen zu können, betrug zu diesem Zeitpunkt 1,3 %. Die faire Wettquote für den FC Liverpool hätte zu diesem Zeitpunkt 77,81 betragen. Doch tatsächlich erzielte Liverpool in der zweiten Hälfte 3 Tore und gewann die Champions-League 2005 in Istanbul.

Doch nicht nur im Fußball, sondern auch im Tennis kommt es immer wieder zu nicht für möglich gehaltenen Comebacks. Ein solches Comeback gelang Novak Djokovic im Wimbledonfinale 2019 gegen den allgemeinhin als besten Rasenspieler der Geschichte geltenden Roger Federer. Nach einem intensiven Spiel führte Roger Federer bei Satzgleichstand im fünften Satz mit 8:7 in Spielen und servierte bei 40:15 zum Titelgewinn. Roger Federer hatte also 2 Matchbälle bei eigenem Aufschlag. Im Tennis generell, insbesondere jedoch auf Rasen ist der Aufschlag ein sehr großer Vorteil. Allgemein gewinnt der Aufschläger auf diesem Belag rund 2 von 3 gespielten Punkten. Die Siegwahrscheinlichkeit von Novak Djokovic betrug bei diesem Spielstand lediglich 1,0 % und damit sogar weniger als diejenige für den FC Liverpool beim beschriebenen Champions-League-Endspiel von 2005.  Das Modell für die Gewinnwahrscheinlichkeiten im Tennis geht von gleicher Spielstärke der Kontrahenten und unabhängig verteilten Punkten aus. Es berücksichtigt somit lediglich den Spielstand und welcher der beiden Spieler aufschlägt.

Im Tischtennissport ist die Bedeutung des Aufschlages nicht so groß wie im Tennis. Dies liegt zum überwiegenden Teil daran, dass im Tischtennissport ein Fehlaufschlag anstatt zu einem zweiten Aufschlag direkt zu einem Punkt für den Kontrahenten führt. Für zwei gleichstarke Kontrahenten bzw. für solche bei denen ein Leistungsunterschied nicht objektiv nachzuweisen ist, findet das sog. Münzwurfmodell Anwendung. Das Münzwurfmodell weist somit jedem Spieler stets eine Punktgewinnwahrscheinlichkeit in Höhe von 50 % zu.  Anhand des Modells lässt sich die Wahrscheinlichkeit für den Gewinn eines Satzes oder eines ganzen Spieles somit einzig und allein durch den Spielstand bestimmen.

Eines der größten Comebacks in einem Tischtennisspiel während den letzten Jahrzehnten war sicherlich der 4:3-Sieg des Dänen Michael Maze im Viertelfinale der Einzel-Weltmeisterschaft im Jahr 2005, nachdem er bereits mit 0:3 in den Sätzen und 7:10 Punkten im vierten Satz gegen den Chinesen Hao Shuai zurückgelegen hat. Durch die Einfachheit des Modells lässt sich die retrospektive Siegwahrscheinlichkeit von Michael Maze in Höhe von 0,8 % wie folgt darstellen (½)7= 1/128 .

Den zweiten Teil dieses Gastbeitrags kannst Du hier nachlesen (klicken).

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